24.03.2017
140 Jahre Eisenbahn in Lommatzsch
Ein kurzer Rückblick …
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Die Verkehrsverhältnisse vor dem Bau der Eisenbahn
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich das Bild der Landschaft und der Infrastruktur im späteren Einzugsgebiet der Bahnlinie Riesa - Nossen. Besonders Riesa entwickelte sich zu einer aufstrebenden Industriestadt, begünstigt durch die seit 1839 bestehenden Bahnverbindungen nach Dresden und Leipzig sowie durch den Elbhafen. Die Lommatzscher Pflege wurde erstmals 1852 an ihrer Peripherie durch die Eisenbahn Riesa - Chemnitz tangiert.
Bis zum Bau der Bahnen waren Pferdefuhrwerke und Postkutschen die einzigen „schnellen“ Transportmittel, so man nicht auf Schusters Rappen unterwegs war. Die Lommatzscher Pflege war ab 1683 durch die Postkutsche erschlossen, die zweimal wöchentlich zwischen Leipzig und Dresden über Meißen, Stauchitz und Wermsdorf verkehrte. Ab 1803 führte der Postkurs teilweise auf neuer Strecke über Klappendorf und Seerhausen nach Oschatz.

Der Kampf um den Bahnanschluss
Die ersten Vorstellungen, die Stadt Lommatzsch an das Bahnnetz anzuschließen gab es bereits um 1835, als über die Trassierung der Strecke Leipzig - Dresden beraten wurde und 1859, als angeregt wurde, eine Eisenbahn von Dresden über Cossebaude, Meißen, Zehren und Piskowitz nach Lommatzsch zu bauen. Besondere Verdienste im Ringen ums „Dampfroß“ hat sich der Lommatzscher Apotheker Friedrich Wilhelm Herb erworben.
Im Jahre 1872 forderte der Gewerbeverein Lommatzsch ebenfalls eine Bahnlinie zwischen Riesa und Nossen. Wenig später forderte ein sogenanntes „Drei-Städte-Komitee“ bestehend aus den Bürgermeistern der Städte Nossen, Lommatzsch und Riesa, die Bahn.
Neben der Landwirtschaft in der Lommatzscher Pflege hatte vor allem die Industrie in Riesa und auch das benachbarte Königreich Preußen Interesse am Bahnbau. Die beiden Letztgenannten vor allem daran, preiswerte böhmische Braunkohle auf kürzerem Transportwege als über das Elbtal angeliefert zu bekommen. Damit war die Strecke Riesa - Nossen ein wichtiges Kettenglied für eine künftige durchgehende Bahnverbindung vom preußischen Elsterwerda über Riesa, Nossen und Freiberg ins böhmische Moldau (heute Moldava).

Der Bahnbau und die Einweihung der Strecke
Baubeginn für den Abschnitt Riesa - Lommatzsch war am 23. Juli 1875. Ein Kostenanschlag vom 4. August 1875 bezifferte die Baukosten für die Gesamtstrecke Riesa - Nossen auf 8.001.400 M. Hiervon entfielen 3.183.600 M auf die Flachlandstrecke Riesa - Lommatzsch, das waren 39,8 % der Gesamtkosten.
Beim Bahnbau war das Planum bereits für einen späteren zweigleisigen Ausbau der Strecke bis Lommatzsch vorgesehen, dgl. die Brücken. Gerade im Bereich des Jahnatales und bei Dörschnitz machten sich größere Dammschüttungen erforderlich. Dabei berührte man auch das Gebiet des schon zum großen Teil trockengelegten Paltzschener Sees, der sich zwischen Paltzschener und Dörschnitzer Flur befand.
Nachdem der Bau der Bahnlinie rasche Fortschritte machte, konnte am 25. Januar 1877 gegen 15.30 Uhr die erste Bauzuglok namens Gazelle im zukünftigen Bf Lommatzsch begrüßt werden. Am 5. April 1877 wurde die Strecke Riesa - Lommatzsch feierlich eröffnet. Fortan verkehrten täglich vier Zugpaare zwischen Riesa und Lommatzsch.
Reichlich ein Jahr nach der Eröffnung des ersten Streckenabschnittes war am 12. September 1878 Baubeginn für die Fortsetzungsstrecke nach Nossen.
Im Gegensatz zur Flachlandstrecke Riesa - Lommatzsch musste die Bahntrasse jetzt etliche Täler überwinden, wozu sich eine Vielzahl an Brücken und Durchlässen erforderlich machte. Mittels Feldbahnen wurden die bei Geländeeinschnitten gewonnenen Erdmassen abtransportiert und fanden bei Dammaufschüttungen eine neue Verwendung. Die Trassierung bildete trotz topografischer Schwierigkeiten mit der Landschaft eine harmonische Einheit. Die Streckenführung wurde so gewählt, dass sie keinen Fremdkörper in der Landschaft darstellt.
Am 15. Oktober 1880 erfolgte dann die feierliche Eröffnung des Abschnitts Lommatzsch- Nossen.

Gegenwart und Ausblick
Heute liegt der Streckenabschnitt Lommatzsch – Riesa seit 1998 im Personenverkehr und seit 1999 im Güterverkehr brach. Beim Neubau der B 169 in Riesa wurde Ende 2000 die Brücke bei km 1,16 km entfernt und die Strecke unterbrochen. Per 31. Dezember 2007 erfolgte die amtliche Stilllegung für den Abschnitt Rhäsa – Riesa.
Die Renaissance der Bahn ist möglich
Nach fünfjährigen Verhandlungen mit der DB AG konnte die NRE am 16. Januar 2014 einen Pachtvertrag für 25 Jahre über den Abschnitt Rhäsa – Riesa abschließen. Schwerpunktmäßig nahm sie umgehend die Streckeninstandsetzung in nahezu ausschließlicher Handarbeit durch die ehrenamtlich tätigen Gesellschafter der NRE, die dabei von Eisenbahnfreunden der Region unterstützt wurden, in Angriff. Am 30. Juni 2014 nahm der Landesbevollmächtigte für Bahnaufsicht des Freistaates Sachsen das 2,6 km lange Teilstück ab und erteilte die Genehmigung zunächst zum Betrieb als Anschlussbahn. Am 1. Juli 2014 verkehrte nach 13 Jahren der erste Zug von Nossen nach Starbach. Dort wurden am Getreidehandel 1.250 t Weizen verladen und anschließend zum 450 km entfernten Ostseehafen Vierow transportiert. Im Saisongüterverkehr fuhren seitdem weitere Getreideganzzüge von Starbach zu den Ostsee- und Nordseehäfen.
Im Dezember 2014 erhielt die NRE die Genehmigung für den Betrieb der Gesamtstrecke Riesa – Nossen. Ferner übernahm die NRE ab 1. Juni 2015 die Infrastruktur des für die Zuführung zum Tanklager der Firma Petrotank genutzten Abschnittes Nossen – Rhäsa und 2016 die Strecke Meißen Triebischtal – Nossen – Döbeln.
Der Gleisbau der NRE konzentriert sich derzeit auf den Abschnitt Starbach – Ziegenhain. Zusätzlich wurde der Bereich Lommatzsch – Ziegenhain für den Draisinenverkehr ertüchtigt, so dass der Förderverein Eisenbahn in der Lommatzscher Pflege e. V. (FELP) in Zusammenarbeit mit dem Eisenbahnmuseum Schwarzenberg Motordraisinenfahrten mit einem sogenannten Schienentrabi zu besonderen Anlässen anbieten kann. Außerdem ist in den nächsten Jahren die Ertüchtigung der Gesamtstrecke Riesa – Nossen für den Güterverkehr und für Sonderzugfahrten vorgesehen. Dabei wird die NRE vom FELP e. V. unterstützt, der sich jederzeit über Helfer und neue Mitglieder freut. Jeder Bürger der Region ist dazu eingeladen, an der Renaissance der Eisenbahn in der Lommatzscher Pflege mitzuwirken.
Peter Wunderwald /FELP

Kurzerläuterung zur Bildergalerie …
Bild 1: Die „legendäre“ 50 1002 mit einem Sonderzug in Lommatzsch. Foto: Oktober 1980, H.-G Heßler

Bild 2: Sonderzug mit 38 205 kreuzt in Ziegenhain einem Regelzug mit V 100. Foto: Oktober 1980, H.- G. Heßler

Bild 3: Erster Getreidezug der NRE in Starbach. Foto: 02.07.2014, C. Feldhaus

Bild 4: Streckeninstandsetzung bei Starbach. Foto: 23.04.2015, J. Wobst

Bild 5: Bauarbeiten in den Nachtstunden an den Hitzetagen des August. Foto: 06.08.2015, J. Wobst

Bild 6: Getreidezug vor der Weiterfahrt in Nossen. Foto: 06.12.2016, T. Petrick

Bild 7: Schienentrabi unter der neuen Brücke in Lommatzsch. Foto: 17.10.2015, T. Petrick

Bild 8: Unkrautbekämpfung in Lommatzsch. Foto: 16.07.2016, T. Petrick [zurück zur Übersicht]